Tag: Nature

baumzeitkontinuum

Alles, was sich unter dem weiten Begriff Kultur zusammenfassen lässt, also Kunst, Technik, Wissenschaft etc., hat ein gemeinsames und entscheidendes Merkmal: es ist ein Produkt menschlichen Handelns. Damit grenzt es sich scharf und eindeutig von allem Natürlichen ab, dessen Autorenschaft ausdrücklich nicht beim Menschen liegt, sondern eben bei der Natur. Mit der Frage “Wer hat das gemacht?” lässt sich die uns umgebende Welt also in zwei Kategorien einteilen. Zum einen sind da die vom Menschen gemachten Dinge, zum anderen die, vorsichtig ausgedrückt, nicht vom Menschen gemachten. Allerdings gibt es, zumindest im materiellen Bereich, eigentlich ausschließlich Mischformen, da jegliches menschliche Produkt nur auf der Basis natürlicher Rohstoffe zustande kommen kann. Allein im theoretischen Gedanken könnte man ein rein menschliches Produkt vermuten, zumindest wenn man außer acht lässt, dass die Grundlage dieses Gedankens, das Gehirn, selbst natürlich ist.

In diesem Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur, zwischen Gott und Mensch, ist auch die Installation BaumZeitKontinuum angesiedelt. Die Basis besteht hier in geradezu archetypischer Weise aus dem Natürlichen in Form eines Baumstammes, haptisch, sinnlich und real. Mit dem Baum werden eine Reihe von Assoziationen verknüpft, er stellt eine gefühlte Urform des Lebens dar und steht für eine alles menschliche souverän überdauernde Beständigkeit. Auf den Baumstamm werden nun künstliche menschliche Projektionen geradezu aufgepfropft. Die Jahrringe des Baumes werden zu Umlaufbahnen von Planeten und bringen den Faktor Zeit ins Spiel. Gleich einem riesigen Uhrwerk wandern die planetenähnlichen Computer-Animationen den Jahrringen entlang und durchmessen das Alter des Baumes. Planetensysteme beschreiben natürliche Zusammenhänge, allerdings in einem Maßstab, in dem sich die Grenzen zwischen Raum und Zeit immer mehr zu verwischen scheinen. Die Vorlage für die auf den Stamm projizierten Animationen sind also wieder natürlicher Art und damit verortet sich der Mensch selbst im Weltgeschehen: Am Anfang steht die Natur in all ihrer Komplexität, dann wird sie vom Menschen, der selbst Natur ist, aufgesaugt, interpretiert und zu etwas Neuem verarbeitet, welches dann wieder auf das Natürliche abgebildet wird.

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ur

Im Sommeratelier 2011 in der Shedhalle Tübingen entstand die Arbeit ur. In der experimentellen Studie werden auf tiefenpsychologische Weise Themenkomplexe wie die Ursprünge des Lebens bzw. die Umgebungsbedingungen, welche die Entwicklung von Leben begünstigen behandelt. Als Medium wurde eine schleimige Substanz gewählt, eine Ursuppe, die einerseits Ekel hervorruft und abstoßend wirkt, andererseits aber auch eine starke faszination ausübt, eben genau deswegen, da wir in ihr unsere Anfänge auf archetypische Weise erahnen können.
Durch die technischen Erfahrungen der Installation B.I.O.S, auf deren Kenntisse ur aufbaut, konnte die Arbeit innerhalb des 2-wöchigen Sommerateliers fertiggestellt werden.

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B.I.O.S

Die Installation B.I.O.S ist eine pneumatisch-organische Skulptur. Ihre äußere Form ist sehr flexibel undbefindet sich in einem andauernden Prozess der Veränderung. Gleich einem Zellhaufen, der sich an einergeeigneten Stelle festgesetzt hat und seinen bestimmungsgemäßen biologischen Aktivitäten nachgeht oderwie ein urtümlicher Organismus, der lebt und atmet, wächst, gedeiht und vergeht.

B.I.O.S ist aber auch ein Hybrid: die weiche organische Form erwächst aus einer starren Basis, aus einerfixen Grundform, zu der es letzlich auch immer wieder zurückkehren muß, spätestens wenn ihm die die Luftausgeht. Im Innern ist es eine Maschine, eine Zellhaufensimulationsmaschine, hart, kantig und dem Wesennach unflexibel.

B.I.O.S wird aus elf im Raum angeordneten Blasen gebildet, die an ein Druckluftsystem angeschlossen sind und darüber alle separat aufgeblasen und auch abgelassen werden können. Die einzelnen Blasen bestehenaus einer Grundplatte die mit einer Latexhaut überspannt ist. Über die Grundplatte, in der auch dieVersorgungsanschlüsse untergebracht sind, also Zu- und Abluft, ein Drucksensor sowie eine helle LED, kanndie Blase auf einem Basisgerüst befestigt werden, das die Grundform der Installation bestimmt. Wenn nundie Blasen unterschiedlich stark aufgeblasen werden, kommt es zu langsamen Veränderungen, zuMetamorphosen, die der Skulptur eine schleichende Dynamik verleihen.

Eine Ansammlung von Blasen, ein Blasenhaufen, ist nichts anderes als Schaum, und so sind dieGeometrien, die diesem physikalischen Phänomen zugrunde liegen, auch der Ausgangspunkt bei derEntwicklung des Grundgerüsts gewesen. Nach verschiedenen Experimenten mit Voronoi-Diagrammen und selbstentwickelten Ansätzen stellte sich die Weaire-Phelan-Struktur als die geeignetste Lösung heraus. DieWeaire-Phelan-Struktur ist das bisher effektivste Modell, mit dem man einen Raum in gleich großeVolumina mit möglichst kleiner Oberfläche aufteilen kann, Anforderungen, die auch bei der Bildung vonSchaum eine entscheidende Rolle spielen. Es besteht aus zwei verschiedenen Körpern, von denen einer, inleicht modifizierter Form und zusammen mit drei Nachbarkörpern, die jedoch in erster Linie als Sockeldienen, als Vorlage für das Basisgerüst der Installation verwendet wurde.

B.I.O.S handelt von belebter und unbelebter Materie und von dem ureigenen Drang des Menschen etwas Lebendiges zu schaffen oder es doch zumindest zu simulieren. Dieses Streben des Menschen äußerte sichin Legenden und Erzählungen, wie z.B. dem Roman “Frankenstein” von Mary Shelley, der Prometeus-Sageoder der Legende des Prager Golem. Aber selbstverständlich sind auch moderne Forschungsbestrebungenwie “Künstliches Leben”, “Künstliche Intelligenz” und Robotertechnik in diese Richtung einzuordnen.Allgemein kann man vielleicht den Computer als die verbreiteste Form einer Art von simuliertem Lebenbezeichen, an dessen grundlegendes Startsystem, das BIOS (BasicInputOutputSystem), auch der Titel derInstallation angelehnt ist.

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